Freie Presse

Bo­dy­guard Burg­hardt

 

Tour de Fran­ce: Der ge­bür­ti­ge Zschopau­er hilft dem ak­tu­ell bes­ten Sprin­ter im Kampf ums Grüne Tri­kot – Kü­chen­truck mit ei­ge­nem Koch

 

CHEM­NITZ/AL­BI - Mar­cus Burg­hardt fährt mit 36 sei­ne elf­te Tour, ist Edelhelfer im Renn­stall Borahansgro­he und hält mit 130,7 km/h den Rekord der Höchstgeschwindigkeit, die je­mals bei der Tour de Fran­ce ge­mes­sen wur­de. 2016 war das auf der Ab­fahrt vom 2072 Me­ter ho­hen Port de la Bon­ai­gua. Tho­mas Pren­zel führ­te mit dem 1,89 Me­ter gro­ßen Wahl-Bay­ern fol­gen­des Telefonin­ter­view.

 

 

Freie Pres­se: Hal­lo nach Frank­reich. Wie sehr konn­ten Sie Ih­ren Ru­he­tag ge­nie­ßen?

 

Mar­cus Burg­hardt: Von Ru­he kann ei­gent­lich kei­ne Re­de sein. Klar, früh et­was län­ger schla­fen war schon drin, weil erst 11.15 Uhr das Trai­ning be­gann. Aber du bist ja irgend­wie in dei­nem Rhyth­mus. Wir ha­ben ei­ne Aus­fahrt in ein Café ge­macht, wo wir für un­se­ren Rad­her­stel­ler ein paar Fo­tos mit den neu­en Renn­rä­dern und E-Bikes so­wie Wer­be­auf­nah­men fürs Team ge­macht ha­ben. Dann stan­den Mas­sa­ge und Pressekonferenz an. Zu­dem hat­te ich noch auf Ins­ta­gram ei­ne Live­schal­tung für Kromba­cher mit ei­nem In­ter­view.

 

Zu­min­dest hat­ten Sie dies­mal kei­nen Rei­se­stress, oder?

 

Nicht ganz. Ob­wohl die letz­te Etap­pe in Al­bi en­de­te und die nach dem Ru­he­tag auch wie­der in Al­bi star­tet, muss­ten wir in ein Ho­tel 50 Ki­lo­me­ter ent­fernt fah­ren. Das wird von der Tour-Or­ga­ni­sa­ti­on so vor­ge­schrie­ben, die Teams ha­ben kei­nen Ein­fluss dar­auf.

 

Grü­nes Tri­kot, ein Fah­rer in den Top 5 und ein Etap­pen­sieg – Ihr Team liegt bes­tens im Ren­nen.

 

Das kann man so sa­gen. Bei un­se­ren Zie­len sind wir im Plan. Aber es ste­hen auch noch knapp zwei Wo­chen an. Im Sprint­tri­kot hat Pe­ter (Sa­gan/Anm. d. Red.) ei­nen gu­ten Vor­sprung (62 Zäh­ler auf Mi­cha­el Mat­t­hews/Anm. d. Red.). Für Ema­nu­el Buch­mann ist die Aus­gangs­la­ge als Ge­samt­fünf­ter vor den Ber­gen per­fekt. Du musst aber je­den Tag höl­lisch auf­pas­sen, wenn dir nicht so et­was pas­sie­ren soll, wie es ei­ni­gen auf der letz­ten Etap­pe er­gan­gen ist.

 

Da hat­ten auf ei­ner Flach­etap­pe star­ke Ge­samt­klas­se­ment­fah­rer wie Thi­baut Pi­not oder Ri­go­ber­to Uran über ei­ne Mi­nu­te ver­lo­ren. Wie kann das pas­sie­ren?

 

Ich weiß nicht, was da schief­ge­lau­fen ist. Das Team von Uran hat­te die At­ta­cke angezet­telt, und des­sen Mann war dann nicht vorn da­bei. Kei­ne Ah­nung. Fakt ist: Gerade bei so Wind­ein­flüs­sen musst du als Hel­fer bei dei­nen Ka­pi­tä­nen sein und ge­nau auf­pas­sen, wann sich ein Team zur At­ta­cke for­miert. Wenn du an der Wind­kan­te abgehängt wirst, wä­re das fast schon pein­lich.

 

Sie sind bei Ih­rer elf­ten Tour sehr prä­sent, leis­ten oft Füh­rungs­ar­beit im Pe­lo­ton und bol­zen mit­un­ter bis ei­nen Ki­lo­me­ter vorm Ziel Tem­po für Sa­gan. Sind Sie mit 36 in der Form Ih­res Le­bens?

 

Das geht al­les nur, wenn du gu­te Bei­ne hast. Zum Glück sind die Fuß­pro­ble­me, die ich zu Sai­son­be­ginn hat­te, aus­ge­stan­den. Mei­ne ers­te Auf­ga­be ist es, un­se­re Ka­pi­tä­ne bis drei Ki­lo­me­ter vor dem Ziel, wo mit der Zeit nichts mehr an­bren­nen kann, zu beschützen. Wenn ich da­nach noch Kraft ha­be, hel­fe ich auch noch mit, den Sprint anzu­fah­ren.

 

Sie be­wäl­ti­gen in drei Wo­chen 3500 Ki­lo­me­ter und zig Hö­hen­me­ter, verbrauchen vie­le Ka­lo­ri­en. Wie sieht Ihr Es­sens­plan wäh­rend ei­nes Tour­ta­ges aus?

 

Da gibt es si­cher von den Fah­rern her Un­ter­schie­de. Ich es­se bei leich­te­ren Etap­pen meis­tens ei­ne Schüs­sel Por­ridge (Ha­fer­brei/Anm. d. Red.) mit Obst und ein biss­chen Brot. Bei schwe­ren Etap­pen neh­me ich auch Por­ridge und da­zu meist Nu­deln mit Omelette. Man­che Fah­rer es­sen auch Reis mit Ome­lette. Da­zu gibt es frisch ge­press­ten Obst- oder Ge­mü­se­saft. Im Ren­nen selbst es­se ich sechs bis acht klei­ne Reis­ku­chen, meist zu Be­ginn. Spä­ter grei­fe ich auf Rie­gel zu­rück und ha­be im­mer vier bis acht Gels da­bei.

 

Und nach der Ziel­durch­fahrt?

 

Da geht die Re­ge­ne­ra­ti­on 50 Me­ter nach der Li­nie mit Ge­trän­ken los. Im Bus auf dem Weg zum Ho­tel gibt’s schon Nu­deln oder Reis. Da­nach du­schen, Mas­sa­ge und viel­leicht schon mal ein klei­ner Snack. Am Abend es­sen wir in un­se­rem Kü­chen­truck. Da gibt es ver­schie­de­ne Sa­chen wie Kar­tof­feln, Reis, Nu­deln, Hähn­chen oder Fisch. Wir ha­ben viele re­gio­na­le Pro­duk­te und un­se­ren ei­ge­nen Koch da­bei. Auf ge­sun­de Er­näh­rung wird bei uns gro­ßer Wert ge­legt.

 

Wie vie­le Be­treu­er sind für Ihr acht­köp­fi­ges Team wäh­rend der Tour im Ein­satz?

 

Wir ha­ben fünf Me­cha­ni­ker, fünf Phy­sio­the­ra­peu­ten, ei­nen Arzt, zwei Sport­li­che Lei­ter, zwei Pres­se­leu­te, zwei VIP-Be­treu­er, ei­nen Koch, ei­nen Trai­ner und ei­nen Fah­rer für den Kühl­wa­gen am Start.

 

Die­se Wo­che geht es ins Hoch­ge­bir­ge. Wird es für Sie – in An­füh­rung – einfacher, weil Sie nur bis zum Berg hin Ih­rem Ka­pi­tän Be­gleit­schutz ge­ben müs­sen?

 

Es sind für mich we­ni­ger Stress­mo­men­te, als wenn du den gan­zen Tag in der Anspannung fährst, dass ir­gend­wann die Post ab­ge­hen wird und du dann da­bei sein musst.

 

Ihr Team liegt im Preis­geld­ver­gleich ak­tu­ell auf Rang drei. Wer­den die Prämien am En­de der Tour brü­der­lich ge­teilt?

 

Ja. Wir sind zwar ein­zel­ne Fah­rer, die kön­nen aber nur in der Mann­schaft et­was erreichen. Je­der be­kommt sei­nen An­teil, bis hin zu den Be­treu­ern. Oft ist es so, dass der Tri­kot­ge­win­ner so­gar auf sei­nen An­teil ver­zich­tet.

 

Er­fah­ren Sie wäh­rend der Tour viel Zu­spruch aus der Hei­mat?

 

Ja. Da kom­men schon ei­ni­ge Nach­rich­ten. Auch der ehe­ma­li­ge Kom­bi­nie­rer­kö­nig Björn Kirchei­sen, der bei mir um die Ecke wohnt, hat ge­schrie­ben, dass er mit mei­ner Fahrwei­se sehr zu­frie­den ist. Nur soll­te ich mehr im Wind­schat­ten tre­ten ...

 

Dann wis­sen Sie ja schon, wen Sie zu ei­nem Ih­rer nächs­ten Vor­trä­ge, zum Beispiel mit dem The­ma „Rad­sport, ein Mann­schafts­sport“, ein­la­den wer­den.

 

(Lacht). Ja, gut. Das wer­de ich tun.

 

 

Bild­text: Mar­cus Burg­hardt (links) an der Sei­te sei­nes Ka­pi­täns Pe­ter Sa­gan auf der La Plan­che des Bel­les Fil­les. Der Slo­wa­ke könn­te zum sieb­ten Mal das Grü­ne Tri­kot des bes­ten Sprin­ters ho­len. Das wä­re Tour-Re­kord. FO­TO: HEN­NES ROTH/AU­GENKLICK